Höre-rede-siege! - Leitfaden für erfolgreiches Verhandeln

Höre-rede-siege! - Leitfaden für erfolgreiches Verhandeln

von: Ulrike Manhart

Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H., 2014

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 15,99 EUR

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Höre-rede-siege! - Leitfaden für erfolgreiches Verhandeln


 

Kapitel 2


Verhandlungsführung


In diesem Kapitel lernen Sie unterschiedliche Methoden der Verhandlungsführung und ihre Abläufe kennen sowie das Harvard-Prinzip, das es erleichtert, sich je nach Situation für eine spezielle Verhandlungsform zu entscheiden. Zudem wird Ihnen vor Augen geführt, dass es für das Gelingen einer Verhandlung wichtig ist, eine klare Trennung zwischen rationaler Erkenntnis und emotionaler Einschätzung bzw. motivationaler Bewertung zu ziehen. Wer Menschen verstehen will, muss ihre Interpretation der Welt herausfiltern!

Sie haben nun die wesentlichen Elemente kennengelernt, um herauszufiltern, wie ein Mensch gedanklich tickt, welche Bedürfnisse, Wünsche, Ängste hinter seinen Positionen stecken. Das Wesentliche ist, dass Sie – bevor Sie bei der Verhandlung in medias res gehen – eruieren, welche Filtersysteme bei Ihrem Gegenüber aktiv sind bzw. werden. Dann erst – und wirklich erst dann – lassen Sie sich voll auf die Verhandlung ein, klopfen die Argumente Ihres Gesprächspartners auf deren tatsächliche Relevanz ab, sprechen die Beweggründe an, die für Positionen, die der andere einnimmt, ausschlaggebend sind, und gehen auf diese ein.

Warum ist diese Vorgangsweise so wichtig? Verhandlungen sind immer ziel- und ergebnisorientiert und laufen auf zwei Ebenen ab, nämlich auf der inhaltlich-logischen und der emotional-bewertenden. Auf der inhaltlich orientierten Ebene versucht der Mensch allem Erfassbaren eine logische Zuordnung zu geben und für die Zusammenhänge begründbare Kriterien zu finden. Bei der Gefühls- und Bewertungsebene geht es nicht nur um die Beziehungsebene zwischen Sender und Empfänger, also um die Wellenlänge zwischen den beiden Kommunizierenden, sondern um die emotionale Bewertung konkreter Inhalte. Diese nimmt jeder Einzelne – je nach Wünschen, Wertvorstellungen, Bedürfnissen, Erfahrungen und diesen inhärenten Vermeidungs- oder Wiederholungsmotiven, die bewusst oder auch vom Unterbewusstsein gesteuert sein können – für sich selbst vor. Zwischen den beiden Ebenen findet wohl ständig eine Rückkoppelung statt, allerdings ist anzumerken, dass für die menschliche Wahrnehmung die motivationale Ebene, die für unser drittes Filtersystem verantwortlich ist und durch die besprochenen Taktiken erfragt werden kann, weitaus stärker zum Tragen kommt als die reine Sachebene. Die Empfindungen, Wünsche, Ängste, also positive und negative Gefühle, formen das Bild, das der Mensch von der Welt entwickelt. Und dieses Bild findet nun auch die Rückkoppelung zur Sachebene, indem es durch rationale Argumente als Tatsache fundiert dargestellt wird. Dieser Prozess geht dann sogar so weit, dass alles das, was dieses Bild bestätigt, eher bewusst und dominant, und alles, was dieses Bild widerlegt, eher unbewusst und verdeckt wahrgenommen wird. Nicht nur die Motive steuern daher die Selektion der Wahrnehmung, sondern die so erzeugten Bilder verstärken gleichzeitig die Motive.

Menschen nehmen in erster Linie das wahr, was sie sehen wollen. Wer Menschen daher verstehen will, muss ihre Interpretation der Welt herausfiltern. Hinter jedem rationalen Argument verbergen sich bestimmte Motive, durch die sich gewisse Sichtweisen hinsichtlich einer bestimmten Sache ergeben. Diese gilt es bei einer Verhandlung zu erkennen, auf diese muss Bezug genommen werden und nicht auf die vorgeschobenen, aber als vordergründig erlebten Argumente!

Es gilt also im Gespräch herauszufinden, ob sich Aussagen des Gegenübers auf objektive Tatsachen oder auf Rationalisierungen – also auf Versachlichungen, auf logisch begründete Darstellungen von Motiven, Emotionen – beziehen. Die Bewertungs- und Beziehungsebene gibt Auskunft darüber, wie Ihr Gesprächspartner das, was er sagt, tatsächlich meint. Für das Gelingen einer Verhandlung ist es daher wichtig, eine klare Trennung zwischen rationaler Erkenntnis und ihrer logischen Zuordnung gegenüber der emotionalen Einschätzung und der motivationalen Bewertung herzustellen.

Selbstanalyse

Bevor Sie eine Verhandlung beginnen, nehmen Sie eine genaue Selbstanalyse vor. Überlegen Sie sich folgende Faktoren, nämlich Ihre

  • Ziele (Minimal-/Maximalgrenzen)
  • Forderungen
  • Motive
  • Themenerweiterungsmöglichkeiten/Argumente (hängt von der von Ihnen angestrebten Verhandlungsform ab)
  • Eigen-/Fremdnutzen-/Zusatznutzenanalyse
  • Mögliche Gemeinsamkeiten/Gegensätze
  • Strategien und mögliche Taktiken
  • Mögliche Lösungsansätze/Alternativen

In einem zweiten Schritt stellen Sie Überlegungen bezüglich Ihres Verhandlungspartners an wie:

  • Positionen bzw. Forderungen
  • Motive (auch bezüglich der hinter dem Verhandlungspartner stehenden Personen und Entscheidungsträger)
  • Ziele
  • Nutzenerwartung
  • Argumente
  • Mögliche Gemeinsamkeiten oder Gegensätze

Bedenken Sie dabei aber, dass diesen Vorannahmen nur vage Relevanz zuerkannt werden kann, da die eigentliche Fremdanalyse erst mit dem Verhandlungspartner im Gespräch selbst durchgeführt werden kann.

Der Ablauf einer Verhandlung

Die vier idealtypischen Phasen einer Verhandlung stellen sich wie folgt dar:

  • Warmlaufphase: Zu Beginn gilt es eine freundliche Atmosphäre zu schaffen und einen Überblick über die Verhandlungsgegenstände zu gewinnen.
  • Vertreten der Positionen: In dieser Phase werden Eröffnungsangebote gelegt, Argumente und Positionen ausgetauscht und Informationen gesammelt.
  • Suchen einer Annäherung: In dieser Phase gilt es die Bedürfnisse und Wünsche beider Seiten zu ermitteln, das Filtersystem zu eruieren. Danach werden detailliertere Vorschläge zur „Kuchenerweiterung“ ausgetauscht und konstruktive Lösungsansätze gesucht.
  • Lösung oder Abbruch: Jetzt sollte das Lösungspaket geschnürt werden und zur Entscheidung gestellt werden. Wenn (noch) keine Lösung gefunden werden kann, sollte vertagt oder abgebrochen werden.

Distributive Verhandlung

Dabei sind die Positionen gegensätzlich und stehen im Wettbewerb zueinander. Man spricht daher für gewöhnlich von Gewinner und Verlierer, selbst wenn letztlich beide Partner mit dem Ergebnis zufrieden sind. Unter Gewinner ist der zu verstehen, der seinen Zielen näherkommen konnte als der andere. Die Größe des zu verteilenden Kuchens ist bei der distributiven Verhandlung vorgegeben und bleibt unverändert. Gewinne und Verluste gleichen sich immer genau aus.

Beispiel

Stellen Sie sich einen Autoverkauf vor. Wenn der Kaufpreis ausverhandelt wird, gewinnt der eine Partner das, was der andere verliert. Wenn das Verkaufsgespräch distributiv angelegt ist und daher zwischen Verkäufer und Käufer lediglich um den Preis gefeilscht wird, gibt es eben nur einen Gewinner und einen Verlierer, weil ein errungener Vorteil des einen immer auf Kosten des anderen geht. Das ist ein entscheidender Unterschied zur integrativen oder vereinbarenden Verhandlung.

Für den Einstieg in eine distributive Verhandlung bieten sich folgende Möglichkeiten an:

Stellen Sie selbst gleich eine hohe Forderung, die sich aber im Rahmen des Möglichen bewegen muss. Geben Sie somit einen Verhandlungsanker vor und veranlassen Sie dadurch Ihren Kontrahenten, zu diesem seine Stellungnahme abzugeben, wodurch vielleicht schon zu Beginn – auch durch weiteres Hinterfragen – wichtige Informationen preisgegeben werden könnten.

Arbeiten Sie mit dem Trick der Mitte, den Sie auf zweierlei Arten anwenden können:

Werden Sie gleich zu Beginn der Verhandlung von sich aus aktiv und fragen Sie nach den Forderungen Ihres Gegenübers. Setzen Sie sodann Ihre Forderung beim Doppelten des von Ihnen angestrebten Zielergebnisses an.

Sie könnten aber auch zu Beginn den Ball Ihrem Gesprächspartner zuwerfen, indem Sie einfach schweigen. Warten Sie ruhig ab, was passiert, oder stellen Sie bestenfalls Fragen, ohne von sich etwas preiszugeben. Wenn der Verhandlungspartner zu sprechen beginnt, hören Sie genau zu. Hinterfragen Sie die Regulatoren und stimmen Sie dann Ihr Angebot so darauf ab, dass sich die Mitte – Ihr eigentliches Ziel – als verhandelbares Ergebnis herauskristallisiert.

Setzen Sie einen angeblichen Ankerpunkt. Vermitteln Sie schon zu Beginn, was möglich ist und was nicht – selbst wenn dies nicht zutreffen sollte. Durch diese vorweggenommene Darstellung der angeblich einzig annehmbaren Position wird gleich zu Beginn ein Anker gesetzt, um den herum die weitere Verhandlung abzulaufen hat. Sie können dabei gezielt bestimmte, diesen Ankerpunkt betreffende Informationen ausstreuen bzw. gezielte Desinformation verbreiten.

Wenn Sie eine deutlich überlegene Position innehaben, können Sie auch mit der Taktik „Friss oder stirb“ arbeiten. Dabei machen Sie klar, dass Ihr Angebot das erste und gleichzeitig auch das letzte ist. Sie sind zu keinen weiteren Konzessionen bereit. Es gibt nur dieses Angebot, ansonsten droht der Abbruch der Verhandlung!

Wollen Sie als Verhandlungspartner nicht ganz so „unnahbar“ in Erscheinung treten, aber dennoch nicht viel von Ihrer Position preisgeben, machen Sie zwischendurch kleine Zugeständnisse, wobei aber der eigene „Verlust“ gering zu halten ist. Gehen Sie „scheibchenweise“ vor. Durch diese Taktik gewinnen Sie Zeit, um sich weitere...