BWL kompakt - Die 100 wichtigsten Themen der Betriebswirtschaft für Praktiker

BWL kompakt - Die 100 wichtigsten Themen der Betriebswirtschaft für Praktiker

von: Christian Kreuzer

Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H., 2019

5. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 36,99 EUR

Mehr zum Inhalt

BWL kompakt - Die 100 wichtigsten Themen der Betriebswirtschaft für Praktiker


 

21. Unternehmen


Grundlagen

Die Betriebswirtschaft handelt von Unternehmen 2 . Es ist daher erstaunlich, dass man bis heute nicht genau weiß, warum es überhaupt Unternehmen gibt. Geschichtlich gesehen sind Unternehmen in der heutigen, komplexen Form relativ neue Entwicklungen, und das Fachgebiet der Betriebswirtschaftslehre gibt es seit nicht einmal 100 Jahren. Lange Zeit war ein Unternehmen nicht viel mehr als eine oder mehrere Personen, die durch Produktion oder Handel ein Marktbedürfnis zur Steigerung ihres Einkommens erfüllt haben. In dieser klassischen Welt konnte der Schwerpunkt des Unternehmens und der Betriebswirtschaft auf den Absatz und die Produktion reduziert werden.

Die ersten Betriebswirtschaftsbücher wurden in den 1930er Jahren vor allem von publiziert, der in einem sehr pragmatischen Ansatz die Grundlagen des modernen Rechnungswesens (vor allem der Kostenrechnung) gelegt hat. Die eigentliche Geburtsstunde der modernen Betriebswirtschaft geht auf zurück, der 1951 das Werk „Grundlagen der BWL“ veröffentlichte. war einer der ersten, der ein Gesamtmodell des Unternehmens entwickelt hat: sein produktivitätsorientierter Ansatz unterscheidet elementare Faktoren (zB Arbeit oder Material) und dispositive Faktoren (zB Leitung oder Organisation). Diese Produktionsfaktoren werden in Unternehmen optimal kombiniert und durch Produktions-, Absatz- und Finanzierungsprozesse in einen Output umgewandelt.

verfolgt dabei einen recht mathematischen, deterministischen Ansatz, der in den folgenden Jahren ergänzt und ersetzt wurde. So vertritt in seinem Entscheidungsansatz die Ansicht, dass das eigentliche Problem des Unternehmens die Zielfindung ist und sich Unternehmen vor allem durch ihre Ziele bestimmen. Die Hauptaufgabe der Betriebswirtschaft ist demnach, Entscheidungen zu ermöglichen und durchzusetzen, die zu den Zielen des Unternehmens beitragen. Eine andere Denkweise stellt vor: sein Systemansatz sieht das Unternehmen als komplexes Netzwerk vielfältiger Bausteine (Menschen, Ressourcen etc), die es durch kybernetische Prozesse zu steuern gilt. Der Situationsansatz wiederum meint, dass Unternehmen sich vor allem durch ihre Umstände bestimmen und abhängig von ihrem Kontext beurteilt werden müssen.

Allen diesen Theorien ist gemein, dass sie im Prinzip rationelles Verhalten, effiziente Prozesse, eindeutige Ziele und erkennbare Motive unterstellen. Die aktuelle Forschung bricht mit diesen Annahmen und entwickelt ein neues Unternehmensverständnis: die „Neue Institutionenökonomie“. Die Neue Institutionenökonomie 3geht von den realen Annahmen aus, dass Individuen opportunistisch auf den eigenen Vorteil bedacht sind, dass Informationen und Entscheidungen immer unsicher sind und dass jeder Austausch von Gütern oder Informationen Kosten verursacht. Aus diesen prinzipiellen Rahmenbedingungen haben sich verschiedene Denkrichtungen entwickelt, die die Betriebswirtschaft derzeit stark prägen.

Der von wurde 1991 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Transaktionskosten treten am Markt für die Suche nach dem richtigen Preis und für die Abwicklung eines Vertrages auf. Unternehmen ermöglichen eine eindeutige Preisinformation und eine effiziente Vertragsabwicklung; es entstehen daher für alle Marktteilnehmer geringere Transaktionskosten als ohne Unternehmen – was die Existenz von Unternehmen erklärt. Da Unternehmen mit zunehmender Größe auch größere Transaktionskosten in Kauf nehmen müssen, können sie nicht beliebig groß werden, da es irgendwann effizienter ist Leistungen direkt über den Markt abzuwickeln.

Der betrachtet Unternehmen aus Sicht der Eigentums- und Verfügungsrechte, die Individuen an ihnen haben. Diese sind das Recht auf Nutzung, das Recht auf den Ertrag, das Recht auf Gestaltung und das Recht auf Veräußerung. Nur in kleineren Unternehmen fallen diese Rechte zur Gänze einem Individuum zu. In der Regel werden die Rechte von verschiedenen Institutionen und Personen gehalten, woraus sich komplexe Interessen- und Vertragsverhältnisse ergeben. Gerade Aktiengesellschaften zeichnen sich durch eine Trennung von Eigentum, Führung und Kontrolle aus.

Der untersucht die Auswirkungen dieser Verteilung von Rechten und hat in der Praxis die größte Bedeutung erlangt. Aufgrund der Verteilung der Rechte entstehen verschiedene Rollen in Organisationen, die der Prinzipale (Auftraggeber) und die der Agenten (Auftragnehmer). Derartige Beziehungen treten in der Wirtschaft sehr häufig auf, etwa zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, zwischen Aktionär und Geschäftsführer oder zwischen Zulieferer und Abnehmer. Aufgrund der unsicheren Information kann der Prinzipal nie genau wissen, ob der Agent in seinem Sinne handelt. Diese als „Moral Hazard“ bezeichnete Problematik kann zwar durch genauere Verträge gemindert werden, allerdings erhöhen sich dann auch die Transaktionskosten für das Unternehmen (zB durch zusätzliche Kontrollorgane).

Der greift dieses Thema auf und untersucht die expliziten und impliziten Verträge, die in Wirtschaftssystemen geschlossen werden. Aufgrund der Informationsunsicherheit entstehen bei jedem Vertrag Freiräume, die von den Vertragsparteien zu ihrem Vorteil ausgenützt werden. Dadurch entstehen Ineffizienzen (zB „Adverse Selection“, dh die falsche Wahl des Vertragspartners), die die Steuerung des Unternehmens erschweren. Unternehmen benötigen daher ein eng geknüpftes Vertragsnetz und bestehen als „nexus of contracts“.

Der untersucht den Gegenstand der ökonomischen Verträge. Eine spezifische Investition ist eine Ressource (zB eine Maschine, aber 4auch Arbeit oder Ideen etc), die in einen Vertrag oder ein Unternehmen eingebracht wird und dort mehr Wert schafft als außerhalb der Beziehung. So etwa bringt jeder Manager seine Arbeitsleistung als spezifische Ressource in das Unternehmen ein und kann dort mehr bewegen als als Einzelperson. Wer nun den entstandenen Mehrwert – die so genannte Quasirente – erhält, ist Gegenstand von Verhandlungen aller Parteien, die Ressourcen in das Unternehmen eingebracht haben. Die Erschaffung und Verteilung der Quasirente ist demnach der eigentliche Sinn des Unternehmens.

Bedeutung in der Praxis

Die Ansätze der Neuen Institutionenökonomie haben starke Auswirkungen auf die Gestaltung und Führung moderner Großunternehmen. Der Principal-Agent-Ansatz ist die Grundlage aktueller Überlegungen zur Unternehmensverfassung und der Entwicklung von Corporate-Governance-Regelungen. Es zeigt sich dabei, dass die Handhabung von Informationsasymmetrien der Unternehmensführung in der Praxis hoher organisatorischer, personeller und finanzieller Investitionen bedarf. Die Idee der Transaktionskosten wird damit in vielen Unternehmen zur täglichen, teuren Realität.

Die Überlegungen der spezifischen Investition und der Quasirente sind Gegenstand jeder Gehaltsverhandlung, vor allem in Hinblick auf Incentive-Systeme des höheren Managements. Aber auch in der Beziehung zu den anderen Umfeldern des Unternehmens, von den Lieferanten bis zu den Kunden und dem Staat ist die Frage der Verteilung der Überschüsse wesentlich.

Die grundlegendsten Aussagen des modernen Unternehmensverständnisses werden jedoch oft übersehen: Unternehmen sind ein Netzwerk verschiedenster, konfliktärer Interessen unterschiedlicher Parteien.

Daher gilt:

Unternehmen sind beschränkt planbar; sie funktionieren nicht wie ein Uhrwerk. Das System Unternehmen gleicht dem System Wetter – man weiß recht gut, was nächste Woche ist, aber nicht, was in einem Jahr sein wird.

In der Betriebswirtschaft hängt vieles von der Sichtweise ab; was für den einen richtig ist, kann sich für jemand anderen als falsch darstellen. Letztlich hat jedoch immer nur einer Recht: der, der sich besser durchsetzen kann.

Jedes Unternehmen ist individuell zu behandeln. Konzepte, die sich in einer Situation bewährt haben, können in einer anderen falsch sein. Es gibt daher in der Betriebswirtschaft keine Kochrezepte zum Erfolg – auch nicht in diesem Buch.

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