Verkaufen statt Bewerben - Der direkte Weg zum Traumjob

Verkaufen statt Bewerben - Der direkte Weg zum Traumjob

von: Dirk Kreuter, Christopher Funk

Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H., 2014

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 15,99 EUR

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Verkaufen statt Bewerben - Der direkte Weg zum Traumjob


 

Kapitel 1


Das Produkt – sind Sie!


950 Bewerbungen. Georg B. hat sie alle sorgfältig gesammelt und abgeheftet. Und die Absagen gleich mit dazu. Vier dicke Ordner stehen im Regal. Stellenanzeige heraussuchen – Bewerbung schreiben – Absage einkassieren. Manchmal ist auch ein Bewerbungsgespräch mit dabei, aber bisher ohne Ergebnis. Über zehn Jahre geht das jetzt schon so. Zwischendurch hat sich der Groß- und Außenhandelskaufmann umschulen lassen. Jetzt kann er sich als Steuerfachgehilfe bewerben. Und den Versicherungskaufmann hat er ebenfalls draufgesattelt. Aber eine Stelle hat er trotzdem nicht gefunden. Der Familienvater ist verzweifelt. Er bietet sich auch als Datenerfasser, Staplerfahrer und Kurier an. Alles ohne Erfolg.

Das Jobcenter kann ihm auch nicht helfen. „Ich habe drei Fallmanager und sieben Sachbearbeiter überlebt“, sagt Georg B. Jeden Tag scannt er die Stellenanzeigen in der Zeitung. Immer wieder schickt er einen neuen Umschlag oder eine neue Mail los. Und jedes Mal kommt die Absage. Auch heute warten in seinem Mail-Account wieder ein paar Zeilen auf ihn: „… haben uns für einen anderen Bewerber entschieden. Wir wünschen Ihnen …“

Georg B. zuckt nur die Achseln. Tapfer beißt er die Zähne zusammen: „Ich versuch’s einfach weiter. Irgendwann wird’s schon klappen.“

Der falsche Vermarktungskanal

Dirk Kreuter: Das ist jetzt aber nicht wahr, oder?

Christopher Funk: Doch! Die Geschichte von Georg B. habe ich 2012 in der Zeitung „Der Westen“ gelesen. Geschrieben war sie mit dem Unterton: „die armen Jobsuchenden!“ Ich habe das aber ganz anders gelesen. Du ahnst nicht, wie oft ich als Personalberater erlebe, dass Menschen auf der Suche nach Arbeit mit unglaublicher Verbissenheit ihre Strategie auch dann noch weiter verfolgen, wenn längst klar ist: Sie führt zu nichts.

Dirk Kreuter: Ich denke da sofort an die Sales-Pipeline oder zu Deutsch: an den „Verkaufs-Trichter“. Bei uns Verkäufern ist es so: Du vereinbarst zum Beispiel 50 Termine, dabei gibst du erfahrungsgemäß etwa 20 Angebote ab und dreimal kommt es zu einem Deal. Die Zahlen können auch 40–10–7 lauten. Oder 100–30–20. Wenn die Zahlen so oder ähnlich stehen, ist das in Ordnung. Die Pipeline lässt sich noch optimieren, so dass pro 100 vereinbarten Terminen mehr Abschlüsse herauskommen. Hauptsache ist aber, der Verkäufer kommt mit vertretbarem Aufwand zu seinen Abschlüssen. Wenn du aber 100 oder 200 Termine hast, nur ein paar Angebote abgeben kannst und keinen einzigen Deal abschließt, dann stimmt was nicht. Dann ist für den Verkäufer die Zeit gekommen, all die Vorgänge, die noch in der Pipeline sind, zu optimieren und für die neu hinzukommenden Vorgänge die Strategie zu wechseln. Die nächsten hundert Termine auf die alte Art und Weise zu vereinbaren bringt da gar nichts. Es kommt ja sowieso nichts dabei raus! Wenn 100 Bewerbungen kein Ergebnis gebracht haben, dann wird es die 101. auch nicht tun.

Christopher Funk: Ja, genau das ist das Drama. Die meisten Jobsuchenden unterliegen einem Automatismus. „Was gibt’s denn hier in der Umgebung an Jobs? Mal in die Stellenanzeigen schauen … au prima, das passt ungefähr zu meinen Kompetenzen und Erfahrungen. Da bewerbe ich mich.“ Dumm nur, dass oft nichts dabei rumkommt. So geraten sie in einen negativen Kreislauf aus Stellenanzeige, Bewerbung und Absage.

Dirk Kreuter: Aber das geht doch ganz anders.

Christopher Funk: Wie meinst du das?

Dirk Kreuter: Das grundlegende Problem ist doch, dass jemand, der auf Arbeitssuche ist, meint, seinen Job über den Stellenmarkt zu finden. Wenn sich jemand bewirbt, dann ist es, als ob er sich über einen Werbebrief vermarkten wollte. Die meisten Werbebriefe erreichen aber nicht den gewünschten Empfänger und landen im Müll.

Christopher Funk: Stimmt, der Vermarktungskanal ist für die meisten völlig verkehrt.

Dirk Kreuter: Da sind wir zwei ja mal wieder ganz einer Meinung! Indem ein Bewerber auf eine Stellenanzeige antwortet, begibt er sich freiwillig in einen Wettbewerb mit vielen Unbekannten, den er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gewinnen wird. Er kennt die tatsächlichen Auswahlkriterien nicht und es gibt fast immer einen, der die Anforderungen auf dem Papier präziser erfüllt – oder einfach nur bereit ist, den Job für weniger Geld zu machen.

Christopher Funk: Das stimmt. Die allermeisten Bewerber verhalten sich wie Fischer, die in großen Gruppen an einem Tümpel stehen. Jeder versucht krampfhaft, einen Fisch an den Haken zu bekommen. Aber wer geht schon dort fischen, wo alle hingehen? Zumal es neben dem überfischten Tümpel noch einen ganzen Ozean gibt – mit hunderten, tausenden Fischen drin. Studien haben ergeben, dass über zwei Drittel aller Jobs gar nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern entweder in internen Ausschreibungen oder über Kontakte und Netzwerke vergeben werden – im sogenannten „verdeckten Arbeitsmarkt“.

***

Dieser verdeckte Arbeitsmarkt ist eine sprudelnde Quelle, die es sich anzuzapfen lohnt. Sich nicht mehr um die 30 Prozent der über Stellenangebote verfügbaren Jobs zu kümmern, um die sich alle schlagen, sondern sich auf die 70 Prozent der informell vergebenen Jobs zu konzentrieren, macht aus einem Bewerber einen Personalentwickler in eigener Sache. So nehmen Sie Ihre Berufswahl aktiv selbst in die Hand und machen sich in Ihrer Karrieregestaltung weniger abhängig von Zufällen.

„In der Firma meines Schwagers hat der Qualitätsmanager gekündigt.“

„Mein Dachdecker sucht dringend neue Mitarbeiter.“

„Mein Friseur hat mir erzählt, dass hier demnächst eine neue Boutique eröffnet wird. Mal sehen, ob die noch Mitarbeiter suchen.“

So werden Stellen besetzt! Nicht per Anzeigenseite, sondern per Empfehlung, Nachfragen, über Freunde und Bekannte. Mit anderen Worten: nicht auf dem formellen, sondern auf dem informellen Weg.

Die Bedeutung der sozialen Kontakte für den Arbeitsmarkt hat der amerikanische Soziologe Mark Granovetter, der „Urvater der Netzwerkanalyse“, schon vor Jahrzehnten erforscht. In der Studie „Getting A Job“ von 1974 untersuchte er, wie 300 Ingenieure in Boston an eine neue Stelle kamen. Seine Ergebnisse waren eindeutig: Zwei Drittel von ihnen fanden ihren neuen Job über ihre sozialen Kontakte. Die spannende Frage dabei ist aber: Über welche Kontakte?

Granovetter stellte fest, dass die wesentliche, zum Erfolg führende Information in den meisten Fällen nicht über die engen Bindungen („strong ties“) läuft, also über Ehepartner, Eltern, allerbeste Freunde usw., sondern über die schwachen Bindungen („weak ties“). Es ist der Fußballkumpel, mit dem der Jobsuchende sonntags kickt, der den entscheidenden Hinweis gibt. Oder der Schornsteinfeger, mit dem er ein Schwätzchen gehalten hat. Oder auch eine zufällige Party-Bekanntschaft. Und das Allerbeste: Granovetter legte 1995 nach und zeigte: Menschen, die über soziale Kontakte ihre neue Arbeitsstelle fanden, sind deutlich zufriedener mit ihrer neuen Arbeit.

Im Jahr 2010 lieferte eine Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) weitere Aspekte hierzu: Wenn auch die Freunde eines Arbeitsuchenden arbeitslos sind, hat er vergleichsweise wenig Chancen, einen neuen Job zu finden. Er ist praktisch abgeschnitten von den Informationen über die Job-Möglichkeiten. Sie streichen unbemerkt an ihm vorbei. Stehen seine Freunde aber im Berufsleben, dann erhöhen sich die Chancen unseres Jobsuchenden schlagartig. Denn seine Freunde stellen ein Bindeglied zu vielen potenziellen Arbeitgebern her. Die neue Stelle kann in demselben Unternehmen sein, in dem einer der Freunde arbeitet, oder auch in einem anderen. Noch nicht einmal aus derselben Branche muss die Firma sein, in welcher der Jobsuchende dann seine neue Wirkungsstätte findet. Es kann ein Vertreter aus einem anderen Wirtschaftszweig sein, der den Kontakt herstellt, zum Beispiel der Ehepartner eines Kollegen. Fakt ist: Bei den in der Studie untersuchten 3.000 Nichtbeschäftigten stieg die Chance auf einen neuen Job mit jedem nicht-arbeitslosen Freund um durchschnittlich 3,7 Prozentpunkte.

Die meisten Jobsuchenden finden ihre neue Arbeitsstelle über Kontakte. Das bedeutet aber nicht „Vetternwirtschaft“. Es sind nicht die engen, sondern die schwachen Bindungen – die „Weak ties“-Kontakte –, die zu einem neuen Job führen.


***

Christopher Funk: Statt den formellen Weg über Anzeigen und klassische Bewerbungen zu wählen, fährt ein Jobsuchender also deutlich besser, wenn er den direkten Weg wählt und dabei sein soziales Netz nutzt.

Dirk Kreuter: Richtig. Wenn er sich auf das Angebot der Stellenanzeigen beschränkt, liefert er sich dem Zufall aus und verpasst das Beste. Aber das ist noch nicht alles. Mindestens genauso schlimm wie die schwindend geringe „Auftragswahrscheinlichkeit“ bei der Bewerbung auf Anzeigen ist die Tatsache, dass der Jobsuchende sich den Bewerbungs- und Auswahl-Spielregeln unterordnet. Und genau an dieser Stelle kommen wir Verkäufer ins Spiel. Wollte ein Verkäufer sein Produkt nach den Spielregeln seines Gegenübers verkaufen, dann hätte er seinen Beruf nicht verstanden.

Christopher Funk: Das sähe dann ungefähr so aus: „Mein lieber Herr Müller. Morgen kommen hier 50 Verkäufer vorbei, um ihr Produkt anzubieten. Wir kaufen von dem, der unsere...