Wie kommen Sie mir denn? - Notwehrmaßnahmen gegen schlechtes Benehmen

Wie kommen Sie mir denn? - Notwehrmaßnahmen gegen schlechtes Benehmen

von: Claudia Tödtmann, Gabriele Schlegel

Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H., 2013

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 12,99 EUR

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Wie kommen Sie mir denn? - Notwehrmaßnahmen gegen schlechtes Benehmen


 

Elegante Lösungen für ausweglose Lagen

Eingeladen – und trotzdem zahlen Sie

Die Lage ist vertrackt: Sie werden zum Business-Lunch eingeladen und als es ans Bezahlen geht, stellt Ihr Gastgeber fest, dass seine Kreditkarte im Restaurant nicht akzeptiert wird. Bargeld hat er aber auch nicht dabei. Der hilflose Blick wandert direkt in Ihre Richtung ... und Sie bezahlen. Natürlich versichert er Ihnen hoch und heilig, dass er es Ihnen umgehend zurückgibt. Was bis hierhin nur ein wenig peinlich ist, wird danach richtig peinlich. Wenn die Schulden nicht zurückgezahlt werden. Jeder eilt zurück ins Büro, der Alltagsdruck lässt das ernsthafte Vorhaben, gleich das Geld zu überweisen, in Vergessenheit geraten. Die Gretchenfrage: Darf man den anderen an die offene Rechnung erinnern oder nicht? Man darf. Unbedingt sogar. Sonst wäre es demjenigen nur noch unangenehmer, wenn es ihm viel später auffällt.

Oft sind es ja geringe Beträge, die sich ein Kollege oder ein Geschäftsbesucher pumpen. Da gibt es die Kollegen, denen am Kaffeeautomat das Kleingeld fehlt, von denen man aus Höflichkeit den Mini-Betrag nie einfordern würde. Oder den Kollegen, dem Münzgeld für Zigaretten fehlt. Gerade deshalb sollte sich jeder, der nicht gern in den Geruch eines Schnorrers kommen will, besonders gut um seine Schulden kümmern. Und sei es nur, um zu signalisieren, dass er die Hilfsbereitschaft nicht im nächsten Augenblick vergessen hat.

Wie oft erlebe ich es bei Veranstaltungen, dass ein Gast – meist der jüngste, also der mit dem geringsten Gehalt – anbietet, etwas von der Bar mitzubringen. Von Kaffee über Weißwein bis Cognac – mitten im Gespräch wird das Glas angenommen, manchmal nur mit dem Kopf genickt, um die Unterhaltung nicht zu unterbrechen – und das Bezahlen wird vergessen. Sicher nur aus Unüberlegtheit.

Am besten ist es ohnehin, wenn bei solchen Veranstaltungen einer der Führungskräfte seine Mitarbeiter zu einer Runde einlädt und die Rechnung übernimmt. Aus Prinzip – und weil so eine freundliche Geste immer gut ankommt. Ein Chef, der seinen Leuten nach dem Essen in der Kantine regelmäßig einen Kaffee spendiert, macht sich nicht nur beliebt, sondern stellt auch seine Position klar. Positiv.

Unangenehm ist dagegen, wenn Chefs einen Mitarbeiter auffordern „Holen Sie mir doch bitte mal eben ein Würstchen“. Und ihm nicht gleich das Geld mitgeben. Denn den jungen Mitarbeitern fehlt oft der Mut, nach dem Geld zu fragen. Ich kann auch nur raten, es zu lassen.

Möchte jemand das Geld nicht zurückhaben, sagt er am besten ausdrücklich „Fühlen Sie sich eingeladen“. Und dann darf der Bedachte auch nicht weiter insistieren oder abzuwehren versuchen, sondern ihm bleibt nur noch eins – sich höflich bedanken.

Herrensandalen sind tabu

Der Personalchef eines Hamburger Konzerns klang völlig genervt und stöhnte: Die Geschäftsleitung drehe schier durch, wenn sie sieht, in welchem Aufzug derzeit – bei den tropischen Temperaturen – die Konzernmitarbeiter zur Arbeit erschienen: „Manche sehen so aus, als trügen sie noch ihren Schlafanzug.“ Birkenstocks und Bermudas herrschen bei den Männern plötzlich vor, die Damen trügen zu kurze Röcke und Spaghettihemdchen mit tiefen Ausschnitten. Er könne ja schlecht den Mitarbeitern vorschreiben, was sie anziehen müssten.

Was er denn tun solle? Zunächst einmal muss er klarstellen, was die Geschäftsleitung nicht sehen will. Also: Der Rock soll zumindest bis kurz über dem Knie reichen, das Dekolleté keine Einblicke erlauben. Shorts sind tabu, für Frauen wie Männer. Bermudas gehen in konservativen Unternehmen auch nicht. Kurzärmelige Hemden, in denen Herren stets wie Knaben wirken, sollten dem Wochenende vorbehalten bleiben. Ich empfehle, langärmelige Hemden hochzukrempeln. Die Herrensandalen und hinten offene Schuhe sind ein besonderes Thema: Egal wie gut das Fußbett ist, Sandalen sind unmöglich. Ob ohne oder – schlimmer noch – mit Socken. Die Alternative sind geflochtene, aber vorne geschlossene Slipper – die gehen.

Sicher sind Feinstrümpfe für Damen normalerweise ein Muss, aber ohne Klimaanlage bei Hitze nicht mehr. Ebenso wenig aber dürfen stattdessen behaarte Beine und Achseln oder länger vernachlässigte Füße entblößt werden. Denn: Kleider sind immer eine Sache des Respekts vor anderen Menschen – doch zur eigenen Qual dürfen sie auch nicht werden. Und Damen, die sich ohnehin schon beklagen über anzügliche Blicke, sollten diese nicht noch provozieren durch Stilettos, Ultra-Minis und tief gebundene Cache-Coeurs.

Die Verantwortung liegt aber bei der Führungsriege: Sie muss Regeln verkünden und damit Sicherheit geben. Und: Sie ist es, die den Spirit aufrechterhalten muss. Ich weiß von einem Chef einer großen Werbeagentur, der dieser Tage ab 17 Uhr allen hitzefrei gab – und persönlich auch den Letzten aus der Bürotür scheuchte. Manche Unternehmen geben ab 30 Grad Eistee aus, aber die sollten es dann bitte auch jedem Mitarbeiter sagen und den Tee nicht nur in eine unauffällige Ecke stellen, zur freien Bedienung. Auch eine Runde Eis für alle motiviert und stärkt die Nerven. Das ist im Übrigen die Gelegenheit schlechthin, auch als Chef auf einer unteren Ebene bei seinen Leuten Punkte zu sammeln.

Nur nicht die Beherrschung verlieren

Sozialverhalten ist Glückssache? Anscheinend. Und Pech ist es, wenn „Businessman“ dabei beobachtet wird, wie er überheblich ist zu anderen – in Gegenwart seiner Geschäftspartner. Etwa wie er einen Oberkellner herunterputzt, bei dem an diesem Abend einfach alles schiefgeht: „Ach, bekommen wir heute auch noch etwas zu essen hier?“ oder „Ihnen kann man auch beim Gehen die Schuhe besohlen“, spottete ein Gastgeber fast zynisch. Dabei war derselbe Mann gegenüber seinen Gästen alert, gewandt, fast perfekt. Doch alles, was am Ende bei denen hängen blieb, war sein Danebenbenehmen gegenüber dem Personal. Dass er eloquent war, fachlich beschlagen und die Gespräche mit ihm interessant waren, wurde plötzlich unwichtig. Denn er hatte sein Gesicht verloren.

Insbesondere bei Geschäftstreffen mit Chinesen ist so ein Verhalten der gröbste Schnitzer, der einem überhaupt unterlaufen kann. Denn nicht nur, dass sich erst in Stresssituationen erweist, ob jemand Anstand und Benimm hat, ob er sich beherrschen kann und diszipliniert ist. Dem Chef die Schokoladenseite zeigen ist das eine. Das beherrscht jeder. Aber sich auch quer durch die Hierarchie und am Servicepersonal nicht auszulassen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert – das ist die Kunst, die auch Freiherr von Knigge einforderte, als er vom Umgang mit den Menschen schrieb.

Bob Kimmit ist so jemand, der dies einmal in größerer Gesellschaft eindrucksvoll bewies. Er war seinerzeit noch im Aufsichtsrat von Mannesmann, heute ist er stellvertretender Finanzminister der USA. Bei einem Essen kippte ein junger Kellner Kimmit aus Versehen eine Karaffe Rotwein über seinen Anzug und das Hemd. Ich kann mir viele vorstellen, denen die Gesichtszüge entglitten wären und die die Fassung verloren hätten – nicht so Kimmit. Er legte dem armen Tropf zur Beruhigung die Hand auf den Arm und sagte, dass ihm so etwas Ähnliches selbst auch schon passiert sei. Damals, als er sich sein Studium mit Kellnern verdiente. Allen anderen Gästen imponierte dieses souveräne Verhalten sehr. Und ich meine, von jeder Führungskraft kann man heute so viel Gelassenheit und respektvolles Verhalten erwarten.

Und – woran kann man am besten einen Menschen erkennen? Daran, wie er sich verhält, wenn er Macht bekommt. Wie sich jemand benimmt, wenn er glaubt, es komme gerade nicht so darauf an. Wenn er Abhängige ebenso respektvoll behandelt wie seine eigenen Vorgesetzten. Freiherr von Knigge forderte sogar dies: Auch wer als Junggeselle alleine am Tisch sitzt, solle sich so benehmen, als sei er in Gesellschaft.

Unfallflucht beim Opernball

Der Täter war gut gekleidet – wie alle war er im Smoking erschienen. Doch das hielt den Mittvierziger, geladener Gast beim Opernball in Leipzig, nicht von den übelsten Grobheiten ab. Sein Opfer war meine Tischnachbarin, die Frau eines Flughafenvorstands, die ein cremefarbenes, langes Kleid trug. Mit anderen Gästen plaudernd, gingen beide die großen Treppen hoch, als er hinter ihr gleich ein zweites Mal auf ihr Kleid trampelte. Wobei sie es beim zweiten Mal fast nach hinten wegriss, weil der Täter mit solcher Wucht drauftrat. Das Geräusch war gut vernehmbar, der Riss in ihrem Kleid – quer über den Po – gut sichtbar. Alle um sie herum merkten sofort, was passiert war – nur der Täter nicht. Auch das kann passieren. Nur wie der Übeltäter reagierte, das darf nicht sein: Er ging einfach weiter nach dem Motto „Ich habe nichts gesehen, da kann nichts gewesen sein“ und wollte die Traube der Stehenbleibenden flugs umgehen. Der Flughafenchef jedoch verteidigte seine Frau und konfrontierte den Täter: „Entschuldigung, haben Sie nicht gemerkt, dass Sie gleich zwei Mal auf das Kleid meiner Frau getreten sind und dies nun zerrissen ist?“ Doch der parierte nach einer anderen Devise – „Angriff ist die beste Verteidigung“ – und beleidigte den Manager: „Sie Flegel, haben Sie nicht gelernt, dass man Leute, die sich unterhalten, nicht unterbricht!“

So viel Frechheit siegte leider doch – zumal die Firmengäste der Airline nicht weiter das peinliche Spektakel mitbekommen sollten. Die arme Dame...