Gefangene unserer Gedanken - Viktor Frankls 7 Prinzipien, die Leben und Arbeit Sinn geben

Gefangene unserer Gedanken - Viktor Frankls 7 Prinzipien, die Leben und Arbeit Sinn geben

von: Alex Pattakos

Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H., 2012

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 18,99 EUR

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Gefangene unserer Gedanken - Viktor Frankls 7 Prinzipien, die Leben und Arbeit Sinn geben


 

Vorwort von
Stephen R. Covey

Kurz vor Viktor Frankls Tod im September 1997 erfuhr ich von seiner angegriffenen Gesundheit, dann von seiner Krankheit und schließlich von der Einlieferung ins Krankenhaus. Ich wollte unbedingt noch einmal mit ihm sprechen und ihm meine tiefe Dankbarkeit für sein Lebenswerk ausdrücken, für seinen Einfluss auf Millionen Menschen, mich und meine eigene Arbeit eingeschlossen. Er hatte bereits das Augenlicht verloren, seine Frau las ihm jeden Tag im Krankenhaus mehrere Stunden lang vor. Ich werde nie das Gefühl vergessen, das der Klang seiner Stimme während dieser letzten Begegnung in mir auslöste. Er war so liebenswürdig und großzügig, sich meine kleine Rede, wie sehr ich ihn schätzte und achtete, geduldig anzuhören. Ich sprach wirklich zu einem großen, edlen Geist. Er ließ mich ausreden und sagte dann: „Stephen, Sie reden mit mir, als stünde ich kurz vor dem Abgang. Aber ich muss unbedingt noch zwei wichtige Projekte abschließen.“ Was für eine Haltung! Was für ein Charakter! Was für eine Treue zu den Prinzipien der Logotherapie!

Frankls Entschlossenheit erinnerte mich an seine Zusammenarbeit mit Dr. Hans Selye aus Montreal in Kanada. Selye zufolge – er ist für seine Forschungen zum Thema Stress bekannt – wirkt es sich positiv auf unser Immunsystem aus, wenn wir an sinnvollen Projekten arbeiten, und auch Alterungsprozesse werden dadurch hinausgezögert. Selye unterschied deshalb zwischen Eustress und Disstress, der Folge eines Lebens ohne Sinn und Integrität ist. Ich bin sicher, dass die beiden Männer sich wechselseitig beeinflusst und dabei sowohl die physischen wie die psychischen Vorteile von Logotherapie und Sinnsuche verstärkt haben.

Als Alex Pattakos mich freundlicherweise um ein Vorwort zu Gefangene unserer Gedanken bat und mir erklärte, der Vorschlag käme von Familie Frankl, fühlte ich mich sehr geehrt und beteiligte mich gern an dem Projekt, zumal sie meine Arbeit mit Organisationen, Managern und Führungskräften offenbar als sinnvolle Ergänzung zu Viktor Frankls Lehren, als deren Adaption auf die Arbeitswelt ansahen. Meine Hochachtung für dieses Buch wuchs, als mir Pattakos schrieb: „Ein Jahr vor seinem Tod saß ich mit Dr. Frankl in dessen Arbeitszimmer, und er packte meinen Arm und sagte: ‚Alex, dieses Buch muss geschrieben werden!‘“

Ich werde nie vergessen, wie tief mich in den 1960er Jahren die Lektüre von … trotzdem Ja zum Leben sagen, aber auch von Ärztliche Seelsorge bewegt und angeregt hat. Beide Bücher bestätigten mich wie Frankls andere Schriften und Vorträge darin, dass Menschen die Wahl sowie die einmalige Fähigkeit zur Selbsterkenntnis haben und ihr Wesen vom Willen zum Sinn bestimmt wird. Einmal verbrachte ich ein Sabbatjahr auf Hawaii und wanderte in sehr nachdenklicher Stimmung durch die Regalreihen der Universitätsbibliothek. Ich zog ein Buch heraus und las darin die folgenden Zeilen, die mich buchstäblich erschütterten und Frankls zentrale Lehren ebenfalls bestätigen:

„Zwischen Reiz und Reaktion ist Raum.

In diesem Raum liegt unsere Freiheit, weil er es uns ermöglicht, uns für eine Reaktion zu entscheiden.

Durch unsere Reaktion können wir reifer werden und haben Einfluss auf unser Glück.“

Leider habe ich mir den Namen des Autors nicht notiert, und so kann ich diese Zeilen nicht korrekt zitieren. Als ich später erneut nach Hawaii kam und das Buch suchen wollte, gab es das Bibliotheksgebäude nicht mehr.

Der Raum zwischen Ereignis und Reaktion, die Freiheit, bewusst zu reagieren, und der Einfluss, den unsere Wahl auf unser Leben haben kann, all das bedeutet, dass wir eher von unseren Entscheidungen als von den Umfeldbedingungen abhängen, und beschreibt die drei Wertkategorien, die Frankl unermüdlich gelehrt hat: schöpferische Werte, Erlebniswerte und Einstellungswerte. Es steht in unserer Macht, unsere Reaktion auf die Umstände zu wählen. Es steht in unserer Macht, den Umständen unseren Stempel aufzudrücken. Wir haben die Verantwortung, und wenn wir diesen Raum, diese Freiheit, diese Verantwortung ignorieren, verfehlen wir wahrscheinlich das Wesentliche unseres Lebens und unseren Anteil daran.

Einmal war ich auf dem Rückweg von einem Militärstützpunkt, auf dem ich eine Zeit lang Kurse zum Thema „Management by Principles“ gab. Beim Abschied vom Kommandeur der Basis – er hatte den Rang eines Oberst – fragte ich ihn: „Was motiviert Sie eigentlich, in Ihrem Befehlsbereich den schwierigen Wandel zu einem an Prinzipien orientierten Lebens- und Führungsstil anzustoßen? Sie wissen sehr gut, dass Sie damit gegen den Strom schwimmen und mächtige kulturelle Widerstände überwinden müssen. Sie gehen Ende des Jahres in den Ruhestand und haben eine erfolgreiche Soldatenlaufbahn hinter sich, werden also mit allen Ehren verabschiedet. Sie haben doch genug vorzuweisen.“ Seine Antwort ist mir unvergesslich, sie hat sich in meine Seele eingebrannt: „Vor kurzem ist mein Vater gestorben. Er wusste, dass er starb, und rief meine Mutter und mich an sein Bett. Ich solle mit dem Ohr nah an seinen Mund kommen, bedeutete er mir, und dann flüsterte er: ‚Mein Sohn, versprich mir, dass du nicht so lebst wie ich. Mein Sohn, ich habe dich und deine Mutter nicht gut behandelt, ich habe mich nie richtig für etwas eingesetzt. Mein Sohn, versprich mir, dass du nie so leben wirst, wie ich es getan habe.‘“

Der Oberst sagte: „Stephen, deswegen will ich diese Änderungen durchsetzen und die ganze Basis auf ein völlig neues Leistungsniveau bringen. Ich will etwas bewirken, und zum ersten Mal hoffe ich, dass es meine Nachfolger besser machen werden als ich. Bisher wollte ich immer der Beste sein, an den keiner heranreicht, aber das ist vorbei. Ich will diese Prinzipien so fest in unserer Kultur verankern, dass sie für immer bleiben. Es wird ein Kampf, das weiß ich. Vielleicht bitte ich sogar um eine Dienstverlängerung, damit ich diese Arbeit abschließen kann, aber ich will das Größte, was mir mein Vater hinterlassen hat, in Ehren halten – und das ist der Wunsch, etwas zu bewirken.“

Dieser Oberst zeigt uns, dass Mut nicht Abwesenheit von Angst bedeutet, sondern das Bewusstsein verlangt, dass es etwas Höheres, Wichtigeres gibt. Wir bringen mindestens ein Drittel unseres Lebens damit zu, uns auf den Beruf vorzubereiten, und wir arbeiten normalerweise in einem Unternehmen. Selbst unser Ruhestand sollte mit sinnvollen Projekten in Organisationen oder der familiären beziehungsweise gesellschaftlichen Umgebung ausgefüllt sein. Arbeit und Liebe gehören zum Kernbereich der Moral.

Der große humanistische Psychologe Abraham Maslow kam gegen Ende seines Lebens zu Vorstellungen, die Frankls „Willen zum Sinn“ aufgreifen. Er empfand sein eigenes Modell der Bedürfnishierarchie als zu vage und glaubte nicht länger, dass die Selbstverwirklichung an der Spitze der Pyramide stehen solle. Zuletzt sah er ähnlich wie Frankl in der Selbsttranszendenz das höchste Bedürfnis. Maslows Frau Bertha und seine Forschungskollegen veröffentlichten seine letzten Gedanken unter dem Titel The Farther Reaches of Human Nature.

Meine eigene Arbeit mit Organisationen und den dort beschäftigten Menschen konzentriert sich zu einem Großteil auf die Formulierung von Mission Statements – Unternehmensleitsätzen – für die Organisation wie für die einzelnen Personen. Wenn Menschen frei miteinander umgehen, sich gegenseitig unterstützen und zudem darüber informiert werden, was in ihrer Branche oder in ihrem Berufsfeld geschieht, entsteht meiner Beobachtung nach ein kollektives Verantwortungsgefühl und das Bedürfnis, Werte zu schaffen und etwas aufzubauen. Dann entwickeln Menschen Grundsätze, wollen Bleibendes hinterlassen. Mittel und Zweck sind unlösbar miteinander verknüpft. Der Zweck ist, genau genommen, im Mittel bereits enthalten. Ein guter Zweck lässt sich niemals mit bösen Mitteln erreichen.

Als Lehrender habe ich herausgefunden, dass es nur eine aufregende, packende und anregende Idee gibt, über die Menschen je ernsthaft nachgedacht haben, und das ist die Vorstellung, dass wir die Wahl haben, die Vorstellung, dass man die Zukunft am zuverlässigsten vorhersehen kann, wenn man sie selbst schafft. Das ist im Grunde die Vorstellung von persönlicher Freiheit und der Weg zu Viktor Frankls Frage: Was erwartet das Leben von mir? Was verlangt die Situation von mir? Es geht eher um die Freiheit zu als um die Freiheit von etwas. Es ist auf jeden Fall eher der Weg von innen nach außen als der von außen nach innen.

Meiner Beobachtung nach benennen Menschen, die sich dieser „kopernikanischen Wende“ bewusst werden, die aufrichtig Fragen stellen und ihr Gewissen erforschen, fast immer transzendente Ziele und Werte. Sie wenden sich einem Sinn zu, der über ihr eigenes Leben hinausweist, etwas für die Mitmenschen erreichen will, einen Beitrag für andere, wie ihn Viktor Frankl in den Todeslagern von Nazideutschland geleistet hat. Solche Menschen brechen Kreisläufe auf, etablieren neue Kreisläufe, setzen positive Impulse. Sie werden „Persönlichkeiten des Übergangs“, wie ich es nennen möchte, Menschen, die mit ungeprüft übernommenen Verhaltensmustern brechen.

„Was wir sehen und tun können,
wird von dem bestimmt,
was uns entgeht,
und weil uns entgeht,
was uns entgeht,
können wir wenig tun,
um etwas zu ändern,
bis uns auffällt,
dass das, was uns entgeht,
unser Denken und Handeln bestimmt.“

Ronald David Laing

In dieser Tradition beschreibt Dr. Pattakos, wie eine Art...