Klartext für Anwälte - Mandanten gewinnen - Medien überzeugen. Verständliche Kommunikation in Wort und Schrift

Klartext für Anwälte - Mandanten gewinnen - Medien überzeugen. Verständliche Kommunikation in Wort und Schrift

von: Eva Engelken

Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H., 2012

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 19,99 EUR

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Klartext für Anwälte - Mandanten gewinnen - Medien überzeugen. Verständliche Kommunikation in Wort und Schrift


 

Kapitel 1 Anwälte sind Sprachvirtuosen. Warum reden sie dann Anwaltsdeutsch? (S. 13-14)

Wer sich hinter Floskelwällen verschanzt, tut das nicht ohne Grund. Das war schließlich schon immer so. Der Gesetzgeber ist auch nicht besser; Verwaltungen und Gerichte erst recht nicht. Und seien wir ehrlich: Wer als Anwalt ohne den Habitus seiner Fachsprache auftritt, kann die Zulassung auch gleich zurückgeben – oder? Zeit für eine Bestandsaufnahme.

Ein Fall für die Sprachpolizei?

Sie sind der Meinung, dass Sie die deutsche Sprache hervorragend beherrschen? Dann sind Sie nicht allein. Viele Damen und Herren unter den Anwälten behaupten von sich im Brustton der Überzeugung, die deutsche Sprache zu lieben. Und deshalb setzen sie sich auch unermüdlich für sie ein. Zum Beispiel in ihren Schriftsätzen und Gutachten, durch die Konservierung von vom Aussterben bedrohter Begriffe wie Imponderabilien, Erfüllungsgehilfe und Güterabwägung. Privat lebenslustig und leicht verständlicher Sprache nicht abgeneigt, schalten Anwälte in ihrer Eigenschaft als Organe der Rechtspfl ege in den Kanzleimodus und werfen den Schachtelsatzgenerator an. Dann übersenden sie ihrer Mandantschaft „als Unterfertigte in vorbezeichneter (oder gegenständlicher) Angelegenheit beigefügte Schriftstücke“ und „anempfehlen die Glaubhaftmachung einer unter der Schwelle des vollen Beweises liegenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit“. Oder sie erklären rundheraus, dass „die Aufhebung der Aussetzung der sofortigen Vollziehung nicht auszuschließen sei, weil infolge der Verweigerung der Rücknahme des Widerrufs auch die Nichtvollziehbarkeit des Nichtanwendungserlasses nicht mehr ausgeschlossen werden könne“.

Eine echte Herausforderung, sogar für Leser, die berufsbedingt mit komplizierten Fällen zu tun haben. Zum Beispiel die Krimiautorin Petra Busch. „Um dem Inhalt auf die Spur zu kommen, muss ich die Sätze von Anwälten oft dreimal lesen, weil sie verschachtelter sind als der raffi nierteste Krimiplot.“ Ein klarer Fall für die Sprachpolizei, fi ndet die Schriftstellerin, und sie steht mit ihrer Meinung nicht alleine. Gehen Sie mal inkognito auf eine Party und fragen, wie sich Anwaltsdeutsch anhört. „Bezaubernd, geistreich unterhaltsam“? Oder „öde, spitzfi ndig und unverständlich“? Und dann mal Hand aufs Herz, liebe Kollegen und Kolleginnen: Ist das allgemeine Unverständnis wirklich nichts weiter als Ausdruck der Unwissenheit des gemeinen Volkes? Oder anders gefragt: Warum darf es uns eigentlich nicht verstehen, das gemeine Volk?

Das war doch schon immer so – oder?

Stimmt. Schon Johann Wolfgang Goethe – Dichter, Universalgenie und vier Jahre lang selber praktizierender Rechtsanwalt – stellte fest, dass das Geschwätz des gegnerischen Anwalts immer dann besonders schlimm werde, wenn ihm die Argumente ausgingen: „Die Weitläufi gkeiten meines Herrn Gegners nehmen täglich überhand; je schwerer es ihm wird, einen gehörigen Beweis zu führen, desto mehr sucht er die Schwäche seiner Gründe unter einem Schwall von Worten zu verbergen.“

Das wortreiche Gefasel ist den Anwälten bis heute nicht ausgegangen. Als ich mich nach dem Examen in Kanzleien bewarb, erhielt ich unter anderem einen denkwürdigen Absagebrief. Der Absender sei mit seinem Kollegen zu der Ansicht gelangt, dass man mit meiner Person „die Problematik der Kanzlei in Form von Aktenüberhang“ nicht zufriedenstellend würde lösen können. Dass Laien derart virtuose Höhenfl üge sprachlicher Art eher mit Spott denn mit Anerkennung goutieren, zeigt exemplarisch der Witz von den zwei Ballonfahrern, die im dichten Nebel die Orientierung verloren haben. Als der Nebel plötzlich aufreißt, sehen sie unter sich einen einsamen Spaziergänger. Da formt einer der Männer im Fesselballon die Hände zum Trichter und ruft nach unten: „Wo sind wir hier?“ Der Spaziergänger wirft einen kurzen Blick nach oben und antwortet prompt: „In einem Fesselballon, 30 Meter über der Erde.“ Dann schließt sich die Nebeldecke wieder.