IAS 12 - Ertragsteuern - Die Bilanzierung von tatsächlichen und latenten Ertragsteuern nach IFRS

IAS 12 - Ertragsteuern - Die Bilanzierung von tatsächlichen und latenten Ertragsteuern nach IFRS

von: Helmut Kerschbaumer, Otto Nowotny

Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H., 2022

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IAS 12 - Ertragsteuern - Die Bilanzierung von tatsächlichen und latenten Ertragsteuern nach IFRS


 

1.1. Grundlagen


1.1.1. Was versteht IAS 12 unter Ertragsteuern?


Die Zielsetzung von IAS 12 ist die Regelung der Bilanzierung von Ertragsteuern. Als Ertragsteuern gelten alle in- und ausländischen Steuern, die auf Grundlage eines zu versteuernden Ergebnisses erhoben werden. In Österreich betrifft dies die Körperschaftsteuer und in Deutschland die Körperschaftsteuer und die Gewerbeertragsteuer. Zu den Ertragsteuern gehören auch die Quellensteuern, die von einem Tochterunternehmen, einem assoziierten Unternehmen oder einem Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) bei Ausschüttung an das bilanzierende Unternehmen einbehalten werden.

Ertragsteuern im Anwendungsbereich des IAS 12 gelten dann als Ertragsteuern, wenn sie auf Basis des zu versteuernden Ergebnisses erhoben werden. Die Ermittlung des zu versteuernden Ergebnisses erfolgt dabei nach den Vorgaben der jeweils anzuwendenden Steuergesetze. Das zu versteuernde Ergebnis ist meist nicht ident mit dem nach IFRS ermittelten Ergebnis.

Aus dem Begriff „Ergebnis“ lässt sich ableiten, dass die Basis für die Ertragsteuer ein Nettowert ist. Das IFRS Interpretation Committee hat festgehalten, dass Steuern, die auf Basis eines Bruttowerts wie beispielsweise des Umsatzes, einer bestimmten Leistung oder einer erzeugten Produktions-, Verbrauchs- etc ‑menge erhoben werden, keine Ertragsteuern im Anwendungsbereich des IAS 12 sind und daher als betrieblicher Aufwand gelten (vgl 3 aus 2006 und 5 aus 2009).

Manche Jurisdiktionen sehen einen Mindestbetrag, der auch bei Vorliegen eines steuerlichen Verlustes als Ertragsteuer zu zahlen ist, vor. Dieser kann ein festgelegter Betrag sein (zB die Mindestkörperschaftsteuer in Österreich) oder auch als Prozentsatz einer bestimmten Größe (zB des Umsatzes) ermittelt werden. Kann dieser Mindeststeuerbetrag in späteren Perioden mit einer sich dann ergebenden Ertragsteuerschuld verrechnet werden, handelt es sich um eine Vorauszahlung für eine Ertragsteuer. Je nach Wahrscheinlichkeit der Verrechenbarkeit ist sie daher als Forderung gegenüber den Steuerbehörden anzusetzen. Die Wahrscheinlichkeit wird sich dabei an der Steuerplannung, wie sie auch für den Ansatz latenter Steuern erforderlich ist, orientieren (siehe Kapitel 6.).

Ist dies nicht möglich, handelt es sich um keine Ertragsteuer im Anwendungsbereich des IAS 12.

Auch außerhalb des Anwendungsbereichs von IAS 12 liegen Zuwendungen der öffentlichen Hand und investitionsabhängige Steuergutschriften (IAS 12.4). Dies selbst dann, wenn sie als Verringerung der Ertragsteuerbasis und damit der Ertragsteuerschuld geleistet werden. Ein Beispiel dafür ist die Forschungsprämie in Österreich.

In IAS 12 finden sich keine expliziten Regelungen darüber, ob Zinsen und Strafen im Zusammenhang mit Ertragsteuern in den Anwendungsbereich des Standards fallen. Das IFRS Interpretation Committee beschäftigte sich im September 2017 mit dieser Frage (vgl IFRIC-Update September 2017). Demnach hat ein Unternehmen zu überlegen, ob die Zinsen oder die Strafe selbst eine Ertragsteuer sind, dh, dass sich die Höhe der Zin2sen oder der Strafe aus dem zu versteuernden Ergebnis und nicht aus der geschuldeten Steuer ergibt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die „Strafe“ das Ergebnis einer Verhandlung der Höhe der Ertragsteuer mit den Steuerbehörden (oder auch das Ergebnis einer Entscheidung der Steuerbehörden) für einen bestimmten Sachverhalt darstellt und der festgelegte Betrag aus einer unterschiedlichen Interpretation der anzuwendenden Steuervorschriften resultiert. Demgegenüber wären Strafzinsen für eine bewusste oder unbewusste verspätete Zahlung einer Steuer eher als betrieblicher Aufwand (bzw wenn der Zinsencharakter überwiegt als Zinsaufwand) zu erfassen. Solche nicht unter IAS 12 fallende Sachverhalte sind nach IAS 37 zu bilanzieren.

In Österreich finden sich in der Bundesabgabenordnung (BAO) verschiedene Regelungen über Zinsen und Zuschläge (Verspätungszuschlag bei Nicht-Wahrung der Abgabefrist § 135 BAO, Anspruchszinsen § 205 BAO, Beschwerdezinsen § 205a BAO, Säumniszuschläge § 217 BAO). Alle diese Zinsen und Zuschläge stehen mit einer Ertragsteuer selbst in keinem Zusammenhang, sondern beziehen sich auf die rechtzeitige und richtige Zahlung einer Abgabe. Zinsen und Strafen fallen daher in Österreich in den Anwendungsbereich des IAS 37.

In Deutschland werden in den §§ 233 ff AO (Abgabenordnung) Verzinsung und in § 240 AO Säumniszuschläge geregelt. Auch diese Zinsen und Zuschläge stehen mit einer Ertragsteuer selbst in keinem Zusammenhang, sondern beziehen sich auf die rechtzeitige und richtige Zahlung einer Abgabe. Zinsen und Strafen fallen daher auch in Deutschland in den Anwendungsbereich des IAS 37.

1.1.2. Unterscheidung zu anderen Abgaben


Unter einer (anderen) Abgabe () ist ein Ressourcenabfluss zu verstehen, den die öffentliche Hand Unternehmen aufgrund von Rechtsvorschriften (dh gesetzlicher und/oder Regulierungsvorschriften) auferlegt und bei dem es sich nicht um Ressourcenabflüsse, die unter andere Standards fallen (wie Ertragsteuern nach IAS 12), oder Buß- oder andere Strafgelder, die bei Gesetzesverstößen verhängt werden, handelt. Andere Abgaben fallen in den Anwendungsbereich des IAS 37 bzw IFRIC 21. Unter andere Abgaben fallen beispielsweise Grundsteuer, Grunderwerbsteuer, Energieabgabe, Versicherungssteuer und die Bankenabgabe (Stabilitätsabgabe von Kreditinstituten).

1.1.3. Tatsächliche und latente Ertragsteuern


IAS 12 unterscheidet zwischen tatsächlichen Ertragsteuern (; in der Praxis regelmäßig auch als „laufende Ertragsteuern“ übersetzt) und latenten Ertragsteuern (). Die tatsächlichen Ertragsteuern sind der Betrag der geschuldeten (bzw erstattungsfähigen) Ertragsteuern, der sich aus dem zu versteuernden Einkommen (bzw einem steuerlichen Verlust) der jeweiligen Periode ergibt. Wie bereits oben angeführt, erfolgt die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens auf Basis der jeweiligen anzuwendenden steuerlichen Vorschriften. Das zu versteuernde Einkommen resultiert damit aus dem Saldo aller steuerpflichtigen Erträge (Betriebseinnahmen) abzüglich aller steuerlich abzugsfähigen Aufwendungen (Betriebsausgaben) sowie gegebenenfalls noch darüber hinausgehender steuerlicher Abzugsposten (zB zusätzlicher Abschreibungen auf Sachanlagen auf Grund von investitionsfördernden Maßnahmen) sowie eventuell vorhandener abzugsfähiger Verlustvorträge. Der in der Periode geschuldete 3Betrag für die Ertragsteuer ergibt sich in der Regel durch Multiplikation des zu versteuernden Einkommens mit dem anzuwendenden Steuersatz.

Latente Steuerschulden sind Ertragsteuern, die Geschäftsfälle oder andere relevante Ereignisse des laufenden oder eines früheren Geschäftsjahres betreffen, aber erst in zukünftigen Perioden zu Ertragsteuerzahlungen oder ‑erstattungen führen. Beispielsweise entsteht ein latenter Steueranspruch (eine aktive latente Steuer) dann, wenn der IFRS-Buchwert eines Vermögenswerts auf Grund einer im Vergleich zu den steuerlichen Vorschriften höheren planmäßigen Abschreibung geringer ist als sein steuerlicher Buchwert und dieser Unterschiedsbetrag durch die künftige höhere steuerliche Abschreibung zu einer geringeren tatsächlichen Steuer (zu einem „Steueranspruch“) führt. Ein solcher Steueranspruch entsteht auch, wenn zB im IFRS-Abschluss eine Rückstellung oder eine Wertberichtigung anzusetzen war, die nach den steuerlichen Vorschriften noch nicht bilanzierungsfähig ist, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt – zB bei Zahlung – steuerlich abzugsfähig wird. Darüber hinaus führen steuerliche Verlustvorträge durch Verrechnung mit künftigen steuerlichen Gewinnen zu einer geringeren Ertragsteuerzahlung und damit zu einem latenten Steueranspruch. Umgekehrt entstehen latente Steuerschulden (passive latente Steuern) dann, wenn im IFRS-Abschluss ein höherer Vermögenswert (oder eine geringere Verbindlichkeit) als in der Steuerbilanz ausgewiesen wird und sich dieser Unterschied in späteren Perioden wieder ausgleicht. Dies ist beispielsweise bei zeitraumbezogener Umsatzrealisierung nach IFRS 15 für ein Projekt im IFRS-Abschluss bei gleichzeitiger Bewertung dieses Projekts zu Herstellungskosten in der Steuerbilanz der Fall.

Die Bilanzierung der latenten Steuern nach IAS 12 folgt dem sogenannten „Temporary-Konzept“. Hintergrund dafür ist die in den IFRS vorherrschende statische Bilanztheorie, deren Fokus auf der zutreffenden Darstellung der...